Bildergruß von Fergus

 

Hallo Frau Mührer,

Wie versprochen, eine kurze Geschichte über Fergus’ Zeit bei uns.

Nach Edwards Tod und Henrys nötiger Einschläferung nur kurze Zeit später, wollten wir zunächst erst einmal
keinen Hund mehr, bis uns der „Notruf“ eines schwer vermittelbaren Boxers erreichte, der bereits in einer Familie
war, aber unbedingt sofort weg musste.

Also wollten wir dem Problemhund eine Chance geben und holten ihn bei einer Pflegestelle ab, wo er morgens abgegeben
wurde, in fliegender Eile – der Nachfolger wartete schon – ohne Spielzeug oder Leine wurde er im Garten angebunden, ein
halber Sack Billigfutter als Wegzehrung. So sah er auch aus. Fettiges, struppiges Fell, mager, wie man es sonst nur bei Hunden
frisch aus dem Asyl sieht, aber nicht bei Tieren, die schon ein Jahr in einer Familie waren. ( Man hatte ihn kurz gehalten, damit
er nicht so kräftig ist, so etwas gibt es auch ) Natürlich war Fergus, so der Name des Findelkinds, ziemlich traumatisiert, was seinen
Zustand nicht verbesserte.

Die Begrüßung war etwas holperig, er hat zuerst mal meine Frau geschnappt.
Abgegeben wurde er, weil er ständig auf alles losging, an der Leine zog und angeleint bissig war. Außerdem ging er auf alles Motorisierte
los und war den Vorgängern zu kräftig, zu wachsam und ständig aufgeregt. Also sicher kein Anfängerhund. Es ist nicht nachvollziehbar,
warum Leute immer meinen, man holt einen Hund mit drei Jahren aus der Nothilfe und der muß direkt ausgebildet, folgsam, unauffällig
und generell problemlos sein. Dabei gibt es heute doch tolle elektronische Hunde, die auf Kommando reagieren, für wenig Geld.

Fergus war zum Zeitpunkt, als wir ihn abholten, schon fünf Jahre alt und komplett im Tunnel. Er kam überhaupt nicht zur Ruhe, war der
Meinung, er muss alles regeln und mit der Rolle des „Rudelführers“ vollkommen überfordert. Sozialverhalten gab es kaum, typisch für einen
ehemaligen Ketten/Zwingerhund. Außerdem war er wohl geschlagen worden, hatte massive Probleme mit allem, was Räder hat. Oder vier Beine.
Oder Zwei. Eigentlich musste es nicht einmal Beine haben.

Dafür entwickelt er sehr schnell eine Bindung zu „seinem“ Rudel, mit dem Ergebnis dies wird gegen alles verteidigt. Die Folge war, das er regel-
mäßig meine Schwiegereltern beissen wollte ( und teilweise auch hat ). Jeder, der an der Tür schellte, war sofort ein Todfeind.

Die ersten Wochen waren für ihn ziemlich anstrengend, wie gesagt, er kam kaum zur Ruhe. Beim Gassigehen schnüffelte er nicht, sondern scannte
ständig das Umfeld. An der Leine war er unglaublich aggressiv gegen alles und jeden. Spielzeug interessierte ihn ebensowenig wie Spielen. Also viel Arbeit.

Dafür war er, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, kerngesund und nach Umstellung des Futters und ausreichender Menge erreichte er ziemlich
schnell ein angemessenes Gewicht von 40 kg, mit schönem Fell und ohne verschorfte Stellen.

Wir haben ein halbes Jahr intensiv mit ihm gearbeitet und was soll man sagen: er hat gezeigt, was in ihm steckt. Ein toller, verträglicher, ausgeglichener
Boxerjunge im besten Alter, der Freude am Leben hat, mit anderen Hunden spielt und sich sogar von anderen Leuten anfassen lässt oder ansonsten einfach
weggeht. Meine Schwiegereltern hat er mittlerweile akzeptiert, Besuch muss man zwar reinführen, er fällt aber nicht mehr über jeden her.

Es können sogar Traktoren an ihm vorbeifahren, er bleibt liegen ( Aus unerfindlichen Gründen hat er immer noch ein Problem mit Kleinbussen, da fällt er
immer noch aus der Rolle ) An der Leine ist er teilweise noch aufgeregt, aber ich kann, wenn ich etwas aufmerksam bin, mit ihm durch die Fußgängerzone
gehen, ohne das jeden anfällt. Hunde, auch solche, die ihn ankläffen, ignoriert er weitestgehend. Ohne Leine freut er sich über jeden, fängt von sich aus keinen
Streit an und geht weg, wenn der andere aggressiv wird.

Allerdings macht er auch sofort mit, wenn ein Kollege es partout drauf angelegt und zeigt dann, das er seine Kraft durchaus einsetzen kann. An der Leine zieht
er überhaupt nich mehr ( außer ein kecker Kleinbus kreuzt seinen Weg ) und überhaupt ist er mittlerweile total entspannt, sortiert sein Spielzeug nach Laune und
genießt ausgiebigste Ruhephasen im Tiefschlaf. Er muss halt nicht mehr alles regeln. Sogar Tierarztbesuche sind möglich, ohne das ein Notarzt bereit stehen muss.
( Der erste Besuch war für alle Beteiligten gleichermaßen traumatisch, Fergus hat sogar seinen Maulkorb zerlegt )

Dafür ist er extrem führig, lässt sich sogar in Reizlage abrufen und folgt Handzeichen auf 30 Meter Entfernung. Veränderungen seiner Umgebung ( „Das Schild war
gestern noch nicht da“ ) nimmt er sofort wahr, überhaupt ist er ein extrem aufgeweckter, intelligenter Hund.

Er ist überhaupt kein Freund des Winters, im Sommer blüht er auf, hat Urlaube am Meer sehr genossen und besteht auf seinem sonntäglichen Leberwurstbrötchen
( knusprig, mit Butter ), wie er überhaupt zahlreiche Rituale entwickelt hat.

Nach nunmehr zweieinhalb Jahren und einem holperigen Start können wir sagen: Ein toller Hund mit Charakter, der sicher nicht mehr everybody’s Darling wird,
aber eine gewisse Wachsamkeit ist durchaus gewünscht. Und, wie gesagt, endlich mal ein Hund, der gesund ist und uns hoffentlich noch lange Jahre begleitet.

Anbei einige Fotos, das erste vom Tag seiner Ankunft, das letzte aus dieser Woche.

Soweit die Neuigkeiten aus Fergus`Reich, mit herzlichen Grüßen

Stephanie und Andreas